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1. Advent

Impuls:Advent 2022

Von:
Hedwig Lamberty

Es ist wieder Advent! Wie schnell doch dieses Jahr vergangen ist – mag sich der eine oder die andere fragen. Noch vor wenigen Tagen hörte ich auf meinem Weg zur Arbeit im Zug Leute sagen: ich bin noch gar nicht auf Advent und Weihnachten eingestimmt. 

Das erlebe ich fast jedes Jahr, aber in diesem Jahr öfter, vielleicht oder wahrscheinlich, weil entscheidende und existentielle Dinge in diesem Jahr manches überschatten: die Energiekrise – ausgelöst durch den brutalen Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine, in deren Verlauf Russland die Gaslieferungen einstellte, dann die Sorge um das Klima weltweit und nicht zuletzt der Krieg selbst, der nicht sehr weit weg von uns ist. Und möglicherweise kommen noch weitere persönliche Sorgen und Probleme hinzu. Zugegeben: da fällt es nicht immer leicht, sich bei Kerzenschein hinzusetzen und adventliche Texte zu lesen oder Lieder zu singen.

„Alle Jahre wieder“

Dennoch kommt der Advent, kommt Weihnachten – jedes Jahr: „Alle Jahre wieder“. Die Zeit kommt, auch wenn wir innerlich noch nicht oder wenig eingestimmt sind. Und es hilft auch nicht die entsprechende Dekoration in den Straßen und Geschäften – im Gegenteil: wenn sie „zu früh“ kommt, empfinden manche sie als ärgerlich.

Ich möchte sagen:

Wie gut, dass der Advent und Weihnachten „Alle Jahre wieder“ kommen – auch ohne unsere passende Einstimmung, auch bei Katastrophen in der Welt, bei persönlichen Sorgen und Nöten.

Wir können uns darauf verlassen, dass eine Zeit kommt, regelmäßig und ohne Verspätung, die Hoffnung schenken will. Der Advent will uns mit seiner Botschaft für eine Zeitlang einladen oder vielleicht auch herausreißen aus dem, was elf Monate lang Alltag ist. 

Einer geht mit

Denn die Botschaft erzählt uns Christ*innen von einem Gott, der in allem an unserer Seite steht, ein Gott, der mitgeht – durch alles. „Ich bin der – ‚Ich-bin-Da‘ für Euch“  (Ex 3,14) – so weiß es uns schon das Alte Testament und meint, dass ER immer und überall da ist. „Du umschließt mich von allen Seiten und legst deine Hand auf mich“ – so weiß es der Beter/die Beterin von Ps 139,4. Welch ein Vertrauen, auch wenn man oft nicht weiß, wie es konkret weitergeht.

Hoffnung und Vertrauen

Der Advent will jedes Jahr neu nicht nur Hoffnung schenken, sondern auch zum Vertrauen ermutigen – zum Vertrauen ins Leben auf dem Hintergrund, dass wir nicht alleine sind und es für vieles letztlich doch eine gute Lösung gibt. „Ich bin der „Ich-bin-da“ und „Ich bin das Licht der Welt“. (Joh 8,12) Wenn wir im Advent Kerzen entzünden, so machen wir damit nicht nur etwas Licht, sondern erhellen im Vertrauen auf etwas Größeres unsere inneren Dunkelheiten. Und mit jeder weiteren Kerze an den Sonntagen wird es heller, darf das Vertrauen wachsen. Und mit jeder weiteren Kerze mag sich auch die innere Stimmung auf die Zeit einstellen. Wie gut, dass wir vier Wochen Zeit haben, Zeit, in das hineinzufinden und tief in uns aufzunehmen, was Advent und Weihnachten heißt. 

Diese Zeit wird nicht die weltpolitische Lage verändern und auch nicht das Klima retten, aber sie schenkt uns durch Hoffnung und Vertrauen einen anderen Blick auf das Leben, auf unser Leben. Vielleicht nehmen Sie die folgende Geschichte mit in den Advent. Auch wenn Sie nicht jeden Tag das tun, wozu der italienische Comte Sie einlädt, aber da und dort einmal – und dann könnte es sein, dass Sie – wenn Sie am 24.12. alles zusammennehmen, einen reichen Gabentisch vorfinden.

Hedwig Lamberty

Der italienische Comte

In Italien wird die Geschichte von einem Grafen erzählt, der sehr alt wurde, weil er sein Leben sehr genießen konnte. 

Niemals verließ er sein Haus, ohne sich zuvor eine Handvoll Bohnen in die rechte Jackentasche zu stecken. Er tat dies nicht etwa, um die Bohnen zu kauen. Er nahm sie mit, um so die schönen Momente des Tages bewusster wahrnehmen und sie besser zählen zu können. 


Für jede positive Kleinigkeit, die er tagsüber erlebte 

- zum Beispiel ein nettes Gespräch auf der Straße, 

- das Lächeln seiner Frau und das Lachen seiner Kinder, 

- ein köstliches Essen, 

- einen schattigen Platz in der Mittagshitze, 

- ein Glas guten Weines 

- kurz für alles, was die Sinne erfreute und das Leben lebenswert machte, ließ er eine Bohne von der rechten in die linke Jackentasche wandern. Manche Begebenheit war ihm gleich zwei oder sogar drei Bohnen wert. 

Abends saß er dann zu Hause in seinem Sessel und zählte die Bohnen aus der linken Tasche. Er genoss diese Minuten sehr. So führte er sich vor Augen, wie viel Schönes ihm an diesem Tag widerfahren war und freute sich des Lebens. Und sogar an einem Abend, an dem er bloß eine Bohne zählte, war der Tag gelungen, hatte es sich zu leben gelohnt. 

Herkunft unbekannt